Westerfeld - Doppelalbum by Kay Kankowski

Als ich anfing Am Strand von Solitüde zu schreiben, hatte ich zunächst nur diesen einfachen Reim „…Pia, Brit und Gyde am Strand von Solitüde“. Dass dieses Lied über Sommerferien an meinem Kindheitsstrand, über den ersten Kuss und über den Aufbruch ins Erwachsenenleben dann den Beginn meiner Arbeit an dem vorliegenden Doppel-Album markieren würde, wurde mir naturgemäß erst im Nachhinein klar. Der Song fiel mir einfach zu. Gespeist aus Erinnerungen zwar, aber nicht zwangsläufig aus meinen eigenen und ebensowenig zwangsläufig eine wahre Geschichte erzählend. Im letzten Song des Albums, Der Sommer ist vorbei, habe ich eine kleine Max-Frisch-Sentenz verwendet: „ Es erfindet sich jeder, früher oder später, eine Geschichte, die er für sein Leben hält.“ Wir sind immer selbst Schöpfer, Erfinder unserer Erinnerungen; wir konstruieren unsere Vergangenheit als (mehr oder weniger) schlüssige Erzählung. Insofern sind alle Geschichten, Figuren, Konstellationen und Erinnerungen in den hier versammelten Liedern erfunden. Zwar angereichert mit Details, die aus meiner eigenen, erlebten Vergangenheit stammen, aber das macht aus diesem Album noch lange kein autobiographisches Werk. Für wen (außer mir selbst) wären meine selbstbeschreibenden, nabelschauenden Erinnerungserzählungen auch schon von Belang? Viel mehr beschäftigte mich beim Schreiben der Texte und der Musik die Frage, was ich der allgemeinen Verklärung der ‚Baby-Boomer-Kindheit‘ (z.B. bei Facebook) entgegensetzen könnte, die die Zeit der 1960er und 1970er Jahre zu einer Idylle der Einfachheit und Selbstgenügsamkeit stilisiert und in ein Paradies der kindlichen Freiheiten und spielerischen Grenzenlosigkeit verwandelt. Was könnte ich an Erzählungen aufbieten, die eine andere Perspektive einnehmen und gleichzeitig HörerInnen anknüpfen lässt an Begebenheiten und Figuren, die sie ‚damals‘ auch hätten erleben können. So entstanden in relativ kurzer Zeit diese ganz unterschiedlichen Songs wie Es war so wunderbar, Hausmeisterblues, Christine und So weit, so gut. Außer der geschichtlichen, inhaltlichen Verknüpfung der Texte ist den Liedern vor allem eines gemeinsam. Die Musik auf diesem Album wurzelt tief im Blues. Als ich mit 13 Jahren das erste Mal Rory Gallagher (Irish Tour ´74) hörte und dann später ‚The Cream - Live‘, war ich so von den Socken, dass ich das Nachspielen und Singen von Beatles-Songs aufgab und beschloss, nur noch Blues und vor allem Bluesgitarrensolos zu spielen. Diese Musik hat mein Gitarrenspiel mehr geprägt als alles andere. Es war also naheliegend, dass alle Songs für diese CD aus dieser Quelle schöpfen. Von Stell dich nicht so an über Bilderbuchsommersonntag bis zu Tommy, Banane und ich rauscht ein weiter blauer Strom, der ohne die phänomenale Umsetzung der Musiker auf dieser Platte nicht in Fluss gekommen wäre. Die unnachahmliche Gitarrenarbeit von Jan Mohr, die einfallsreichen Keyboardfingereien von Christopher Town, der sorgsam druckvoll swingende Bass von Harry Kretzschmar und das unaufhaltsam groovende Schlagzeug von Markus Zell bilden den perfekten musikalisch-atmosphärischen Rahmen, in dem ich einfach meine Songs singen durfte. In Roger Wahlmanns CLIFF-Studio haben wir an zwei Wochenenden alle Titel live und ohne Overdubs eingespielt. Das war eine ganz besondere Reise in unser aller Vergangenheit und Gegenwart. Sehr emotional, sehr bewegend, sehr aufregend. Ich bin überzeugt, dass das durch das gesamte Album hindurch zu hören ist.

Der Mann: Jenseits der Schubladen. Diesseits der Klischees. Ungekünstelt, authentisch und direkt. Für manche ein begnadeter Liederpoet, für andere der Dylan der norddeutschen Tiefebene.
Die Texte: Alltägliches, Absurdes, Versponnenes, Verspieltes, Liebe, Laster, laute und leise Töne.
Die Musik: Konsequent gitarrengetriebene Mischung aus Jazz und Folk, Ballade und Rock, Chanson und Blues.